Donnerstag, 5. Juni 2014

[Eliara] Der Weg 01


Das Dronentaxi bewegte sich zügig durch den Verkehr, während Eliara kurz hinaus schaute. Mies III zeigte sich von seiner besten Seite – strahlend blauer Himmel schien auf die Millionenstadt herab und sie glitten gerade über einer größeren Parkanlage hinweg, in der wohl ein Fest oder ein Konzert statt fand. Aber dafür hatte sie leider keine Zeit – und überraschenderweise auch wenig Lust. Irgend etwas war am vorgehen – und sie wusste nicht, was. Furchtbar, ihr linker Finger zitterte schon wieder seid einigen Tagen deswegen. Manchmal. Ihre Neugier und Aufgeregtheit hatte da manchmal seltsame Auswüchse. Naja - es würde sich wohl hoffentlich bald lösen.

Aber noch war es nicht so weit. Sie konzentrierte sich wieder auf das Hologramm ihres Coms und las weiter in dem Papier, das PIeCO veröffentlicht hatte. Es waren die ersten Ergebnisse zu einem neuartigen Antrieb, der jene speziellen Materialien einsetzte, die von jenen Sleepern aus den Wurmlöchern kamen, um ständig zwischen zwei – theoretisch – stabilen Zuständen zu wechseln. Gott, es war komplex! Und wohl auch noch nicht ansatzweise so stabil, wie erhofft oder nötig. Naja, und nach dem ersten Durchlesen hatte sie auch nur Bruchteile verstanden – aber mittlerweile hatte sie sich durch einiges durchgearbeitet. Und verstanden. Irgendwie zumindest.

20 Minuten später stand sie ihrem Vater gegenüber und sie drückten sich herzlich. Wie lange hatte sie ihn nicht gesehen? Ein halbes Jahr könnte durchaus schon vergangen sein – beide waren zu sehr beschäftigt, um sich häufiger zu sehen. Sie freute sich sehr, ihn wieder zu sehen, bemerkte aber auch sofort, dass auch er angespannt war. Zumindest sonst hatte er sich wenig verändert – die hellen blonden Haare (typisch für die du Mondes) ließen bei Suche die ersten Ansätze von Weiß erkennen, aber das war bei seinem Alter wenig überraschend. Sein Anzug stand ihm wie immer, wenig verwunderlich bei seiner Figur. Aber seine Augen hatten etwas den Glanz junger Jahre verloren in letzter Zeit. Ob er zu viel arbeitete? Aber nun ja, er würde bald CEO sein, was sollte man da erwarten.

„Komm erstmal mit. Wir haben wenig Zeit, nachher können wir in Ruhe reden. Großvater wartet.“ dabei zeigte er auf eine große, hölzerne Flügeltür und öffnete sie im nächsten Moment auch.

Eliara folgte ihm und betrat einen großen hellen Raum. Pflanzen aus den unterschiedlichsten Welten erfüllten den Raum und einzig ein riesiger schwerer Tisch war in der Lage, einen Akzent zu setzen gegen diese Vielfalt an Farben und Gerüchen. Ein Holofenster zeigte das rege Treiben außerhalb des Gebäudes und spendete gleichzeitig Licht. Ihr Großvater saß hinter dem Tisch und erhob sich gemächlich, um ihnen entgegen zu kommen. Er hatte mittlerweile noch mehr Zeichen seines Alters als beim letzten Male, als sie ihn sah. Die Haut war fleckig und wirkte fast wie Papier und auch seine Haltung war nicht mehr so gerade wie früher. Er war wirklich alt, aber schon immer sehr glücklich damit und wenig interessiert an all den Möglichkeiten, dem menschlichen Verfall entgegen zu treten. „Jeder hat seine Zeit“, hat er immer gesagt, „und meine habe ich sehr wohl genutzt.“ Als Gründer von MONDUE, einem mittlerweile weithin bekannten Designer und Produzenten von Schuhen, kann er dies wohl zurecht sagen...

„Schön, dass ihr gekommen seid. Setzt euch, setzt euch.“ Er deutete dabei auf einige lederne Stühle, um sich dann gemächlich wieder auf seinen Sessel zu setzen. Dann musterte er kurz seine beiden Gäste und schmunzelte dann. Eliara stellte fest, dass eine Augen immernoch das Leuchten von früher hatten. So viel Lebenslust und Neugier und Humor konnte man daraus lesen. Ja, es war nachwievor ihr Großvater, mit dem sie schon als kleines Kind gespielt hatte!

„Und, Eliara, hast du es dir noch einmal überlegt`“ frage er sie sodann und beide mussten schmunzeln ob dieses … fast schon Rituals.

„Nein, ich werde nicht wie der Rest meiner Familie Teil der Firma werden. Das weißt du doch. Dabei bleibt es auch weiterhin.“ Sie versuchte, es etwas genervter klingen zu lassen, als es mittlerweile war. Denn irgendwie war dieses Spiel auch schön. Ja, doch, war es.

Er schüttelte kurz und gespielt betrübt seinen Kopf und schaute sie dann wieder an. Ernster. Deutlich ernster.

„Ich weiß, ich weiß. Eigene Wege und so. Und ich kann dich ja verstehen. Zu gut sogar...“

Hm, das waren ja mal neue Töne! Woher?!

„Aber so bist du halt, hab ich mittlerweile auch verstanden. Und tatsächlich ist das vielleicht sogar eher die Zukunft als alles andere.“

Leicht verwirrt, wollte Eliara etwas einwerfen, kam aber nicht so weit – ihr Großvater redete einfach weiter.

„Ich habe darüber in letzter Zeit viel nachgedacht, weißt du? MONDUE war mir immer sehr wichtig, aber letztlich, wenn man es auf das wenigste reduziert, bleiben wir. Nicht die Firma, sondern wir, diese Familie, die wir sind. Das ist mir – und auch deinem Vater und vielen anderen – das wichtigste. Diese Familie zu erhalten und eine Zukunft zu geben.“

Eliara war verwirrt. Was war das denn für eine Rede?! Ein Blick zu ihrem Vater machte ihr klar, dass dieser durch sie und ihre Verwirrtheit durchaus erheitert war. Na toll!

„Dein Vater und ich haben seid einigen Jahren auf diese Zukunft hingearbeitet, Eliara. Und nun, endlich, ein Angebot bekommen. Ein Angebot, das wir weder ablehnen wollen noch können.“

Eliara war, eher selten, aber vorkommend, sprachlos. Kurzzeitig. „Vater?! Was ist hier los?!“

Ihr Vater legte ihr seine Hand auf die Schultern. „Alles ist gut, Eliara. Was Großvater sagen will ist, dass wir die Gelegenheit haben, drei Mitglieder unserer Familie zu Kapsulern zu machen. Unsterblichen. Die Zukunft der Menschheit liegt letztlich dort, bei jenen, dies wissen wir alle. Und unsere Familie hat die Chance, Teil dessen zu werden. Liebes, wir möchten, dass du eine von jenen Drei bist.“



Geschockt schaute sie ihren Vater und Großvater an. Sie – ein Engel des Todes?!

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